Erdhof Seewalde

David Peacock führt gemeinsam mit seiner Frau Viola Garnetzke den Erdhof Seewalde an der Mecklenburgischen Seenplatte, wo sie sich nicht nur auf energiebewusste Landwirtschaft und den Erhalt alter Rassen konzentrieren, sondern allen Interessierten ihre Türen öffnen, um ihnen den Kontakt zur Natur zu ermöglichen. Wir haben mit ihm über die Besonderheiten des Hofes sowie die Beziehung zwischen Gastronomie und Landwirtschaft gesprochen und warum Bio für alle nicht unbedingt erstrebenswert ist.  

Ihr betreibt Landwirtschaft und Viehzucht auf dem eurem Hof. Was macht ihr anders als andere Landwirt:innen?

Wir betreiben eine Tierhaltung unter dem Aspekt, keine Folge- oder Nebenkosten zu erzeugen. Klingt erstmal super einfach, eigentlich ist es das auch. Aber es ist nicht der gewöhnliche Weg, Tiere so zu halten, da es mit mehr Aufwand verbunden ist. Wir machen es, da so das Grünland und die Artenvielfalt erhalten wird, zudem ist es die ethischste Form der Haltung und versorgt mit relativ wenig Input den Menschen.


Was bedeutet das konkret? 

Unsere Kühe beweiden im Sommer unser Weideland, im Winter sind sie im Stall und bekommen das Heu unserer Flächen. Wir treiben sie jeden Tag sehr viele Kilometer weit raus, das machen wir zu Pferd anstatt im Geländewagen. Wir führen den Hof unter der Prämisse, Maschinen nur dann anzuschaffen, wenn es keinen anderen Weg gibt – wir haben aber immer den anderen Weg gesucht. Die Tiere grasen jeden Tag auf einer anderen Fläche, damit sie das Gras nicht komplett abfressen. Mit den Milchschafen machen wir es genauso. Da Kühe und Schafe einen unterschiedlichen Fraß haben, passen sie gut zusammen. So kann die Vielfalt der Flächen am besten erhalten werden, ohne Monokulturen auszubilden. Außerdem haben wir Schweine, die ein guter Begleiter des Menschen sind, da sie Resteverwerter sind. Sie sind allerdings nur tragbar, wenn sie nichts bekommen, was der Mensch noch essen könnte. Für mich ist es ethisch nicht vertretbar, einem Nutztier das zu geben, was der Mensch essen kann. Unsere Hühner, die wir auch selber züchten, versuchen wir als Weidevieh zu halten, anstatt jeden Tag 120 Gramm konzentriertes Futter in sie hineinzupumpen. Das erinnert ein bisschen an die Hühnerhaltung wie vor 150 Jahren.


Was hat es mit dem Namen Erdhof auf sich?  

Wir haben es Erdhof genannt, weil wir uns sehr mit der Erde verbunden fühlen und sie schon oft und weit bereist sind – wir haben auf Höfen in Japan, Südafrika, Nordamerika, Irland, England Erfahrungen und Inspiration für unseren eigenen Hof zu gesammelt. Im Grunde führen wir auf unserem Hof das fort, was die Menschen seit Jahrhunderten machen, es braucht keinen neuen Begriff dafür. Diese simplen Methoden dienen überall auf dem Land dazu, Nahrungsmittel und Perspektiven zu entwickeln, egal wo. Außerdem wollen wir Menschen einladen, bei uns eigene Erfahrungen zu machen. Wenn der Erdhof nicht für andere offen wäre, wäre er wertlos. Landwirtschaft, die nicht einlädt, ist wertlos.

Ihr beliefert einige Spitzenrestaurants in Berlin. Wie sieht die Zusammenarbeit mit ihnen konkret aus? 

Teilweise ist sie sehr tailormade und konstant, vor allem mit dem Nobelhart & Schmutzig arbeiten wir schon einige Jahre sehr eng zusammen. Sie nehmen einen sehr hohen Prozentsatz ab – manche würden sagen, dass es geschäftlich nicht klug ist, wir empfinden es allerdings als sehr positiv, einen zuverlässigen Abnahmepartner zu haben, obwohl sie mit ihren Wünschen schon auf eine Art diktieren, wie und welche Produkte wir erzeugen. Alles, was wir darüber hinaus produzieren, bieten wir anderen Restaurants wie dem Mrs Robinsons, Lode & Stijn und Remi an. Bei einer hohen Nachfrage nach Milchprodukten muss ebenfalls das Kalbsfleisch abgenommen werden. Denn man muss es ganzheitlich sehen – um die Milchproduktion aufrechtzuerhalten, müssen Kälber geboren werden. Und die müssen dann auch gegessen werden. Bei den Restaurants, mit denen wir aktuell zusammenarbeiten, war da sofort Verständnis da. Wir haben daraufhin gemeinsame Wege gesucht, wie das genau funktionieren kann – was ist das beste Alter des Kalbs, wie ist das Fleisch am besten, solche Sachen.


Warum arbeitet ihr nur mit einer Handvoll von Restaurants zusammen und nicht mehr?

Für viele Köch:innen ist es gar nicht nachvollziehbar, dass sie nicht alles jederzeit bestellen können, wie sie es vom Großhandel gewohnt sind. Sie wollen dann zum Beispiel in der einen Woche Doppelrahm, in der nächsten aber nicht – wir brauchen da allerdings mehr Planungssicherheit, da wir zum Beispiel den Doppelrahm für die kommende Woche immer am Wochenende produzieren. Wir brauchen verbindliche Infos im Voraus, was für sehr viele Restaurants erstmal ungewohnt und eine große Umstellung ist. Das war auch ein Grund, warum wir uns dafür entschieden haben, lieber mit wenigen, aber dafür viel konstanter zusammenzuarbeiten.


Haltet ihr euren Output also bewusst klein?

Wir haben weder Lust noch Interesse daran, das größer zu skalieren. Es gab letztes Jahr einen Investor, der Interesse an unserem Hof hatte und uns relativ günstig Geld gegeben hätte. Er wollte, dass wir es unbedingt größer aufziehen. Aber wir wollen genau das Gegenteil. Dafür war kein Verständnis vorhanden, weshalb es schließlich zu keiner Zusammenarbeit kam. Wenn jemand unser Konzept, unsere Prinzipien nicht versteht, möchte ich auch sein:ihr Geld nicht. Wenn du dein Unternehmen verkleinern willst, um eine noch bessere Qualität liefern zu können – du wirst nur kopfschüttelnd angeschaut. Ich finde es erschreckend, wie monetär alles ist.

„Wir haben immer den anderen Weg gesucht“

Warum war es euch wichtig, Mitglied der Gemeinschaft zu werden?

Essen verbindet, egal wo man ist – ob in der Küche oder auf dem Hof. Die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Küchen und Küchenchefs ist sehr groß, in jeder Sonntagszeitung findest du einen großen Artikel über Spitzenrestaurants oder generell die Gastronomie. Mein Ziel war es immer, das gleiche für die Landwirtschaft zu schaffen. Das geht besser in einer Gruppe als allein, daher war es ein ganz logischer Schritt, in die Gemeinschaft einzutreten. Hier findet viel Austausch zwischen Erzeuger:innen und Restaurants statt, das verbindet.


Wie könnte das Ziel erreicht werden? 

Es gibt diese gängigen Klischees: Der dumme Bauer, der eklige Schlachter. Diese Narrative müssen durchbrochen werden, es müssen andere Bilder vermittelt werden. Dafür ist es wichtig, die Landwirt:innen mehr zur Sprache kommen zu lassen. Man kann die Landwirtschaft durchaus neben der Hochglanz-Gastronomie positionieren. Denn beides gehört untrennbar zusammen.


Wenn wir jetzt nochmal etwas herauszoomen – welche sind die wichtigsten Punkte, die sich in der gesamten Kette der Lebensmittelerzeugung generell verändern müssen?

Es braucht Macher:innen von Morgen. Wir sollten sehr viel in junge Menschen investieren, die Interesse an unserer Arbeit und unserem Handwerk haben. Wir haben einen Bildungsauftrag. Ich bin mir sicher, dass sich Investitionen, die wir jetzt in die Entwicklung unserer Region stecken, bereits in wenigen Jahren positiv auszahlen. Und es gibt diese große Debatte darüber, ob und wie Bio für alle möglich ist. Ich halte diese Debatten für rein politisch gewollt und finde sie unnütz. Es gibt mehr als genug Fläche, die genutzt werden kann, dass alle Zugang zu gutem Essen haben. Bio für alle wäre genauso katastrophal wie konventionell für alle – denn es geht eigentlich gar nicht so sehr um die Frage, ob Bio ja oder nein. Sondern vielmehr darum, ob jede:r weiß, wo sein:ihr Essen wirklich herkommt, dafür ein Verständnis zu schaffen. Wir müssen unser Konsumverhalten einfach viel mehr hinterfragen. So wie es momentan ist, ist zu anonym. Es gab vor ein paar Jahren den Slogan “Gib deinem Bauern die Hand” – das ist ein unheimlich starkes Bild, genau das braucht es.

Fotos
Erdhof Seewalde

Text und Bearbeitung
Carolin Foelster

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