Ahrensdorfer Kräuterwelt / Ahrensdorfer Schnuckenwelt

 

Direkt angrenzend an das Naturschutzgebiet Nuthe Nieplitz, im Süden von Berlin, bauen Jens Wylegalla und Juliane Winkler seit einigen Jahren unter Einsatz traditioneller Gerätschaften und Handarbeit eine große Vielfalt an Salaten, Gemüsen, Kräutern und Gewürzen an. 

Hallo Jens. Stellt Euch doch mal vor – was macht Ihr bei Ahrensdorfer Kräuterwelt und der Ahrensdorfer Schnuckenwelt? Was macht Eure Landwirtschaft aus?

Direkt angrenzend an das Naturschutzgebiet Nuthe Nieplitz, im Süden von Berlin, bauen wir auf einer Fläche von etwa 2 ha seit einigen Jahren unter Einsatz traditioneller Gerätschaften und Handarbeit eine große Vielfalt an Salaten, Gemüsen, Kräutern und Gewürzen an. Ausschließlich traditionell bewährte und historische Sorten haben bei uns Ihren Platz. Allein dadurch hebt sich unser Angebot deutlich vom üblichen Hybrid- und Hochleistungs-Sortiment ab. 

Wir verzichten vollständig auf Chemie, sowohl im Bereich „Pflanzenschutz“ als auch auf Düngung. Da unsere Pflanzen nicht mit künstlichen Düngemitteln getrieben werden, enthalten sie deutlich weniger Nitrate, keine Schwermetalle oder synthetischen Pflanzenschutzmittel; dafür ein Vielfaches mehr an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Der Reifeprozess unserer Pflanzen kann sich vollständig entfalten, sie verfügen dadurch über einen intensiveren Geschmack mit hohem Aroma.

Vereinfacht lässt sich unser Prinzip folgendermaßen beschreiben: Wir achten auf einen gesunden Boden, welcher ein gesundes Pflanzenwachstum ermöglicht und dadurch gesunde Früchte mit optimalem Geschmack hervorbringt.

Unter gesundem Boden verstehen wir systematischen Humusaufbau durch Förderung eines reichen Bodenlebens, insbesondere in Bezug auf Mikroorganismen. Auch kleinteilige Flächen, abwechslungsreicher Anbau, gegenseitige Beschattung, Windschutz, Bodenbedeckung durch Erdklee, Mikroklima, …, spielen eine große Rolle. Der Einsatz traditioneller und bewährter Gerätschaften wie Pendel- und Radhacke, Sauzahn, Grabegabel, Sense, Reihenzieher, Grubber und Harke in Handarbeit sind zudem wichtige Elemente, um Bodenverdichtung zu vermeiden und den Pflanzen optimale individuelle Pflege angedeihen zu lassen.

 

Eure Spezialisierung ist beeindruckend – warum habt Ihr Euch für Tomaten und Chilis entschieden? 

Jens: Tomaten sind das Gemüse, welches in über tausend Variationen in Form, Farbe, Größe, Konsistenz und Aroma ein unvergleichliches fantastisches Genusserlebnis offenbaren. Ursprünglich aus den Anden stammend, haben Generationen von Gärtnern und Bauern die Pflanze kultiviert. Wir hatten Wildtomaten von den Galapagosinseln oder Tomaten aus Mexiko (Oaxaca), denen man eine Kultivierung seit über 1.000 Jahren nachsagt. Auch mit aktuell verfügbaren Samenmaterial aus den Anden experimentieren wir. Es kommen historische Variationen aus England (Garden Peach), Frankreich, Polen, Russland, der Schweiz und nordamerikanische Arten hinzu. Ein Erbe der Menschheit …  

In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Tomate zunehmend in das Gewächshaus verbannt und ihre Vielfalt auf wenige Merkmale reduziert. Der Handel ermöglicht in Europa eine Versorgung rund um das Jahr, stammend aus den Niederlanden, aber vor allem aus Spanien und Marokko. Freilandtomaten werden im Süden Italiens unter Sklavenarbeit angebaut, und Sklaverei meine ich ernst. China ist in den weltweiten Handel eingestiegen. Wir haben es also mit einem Produkt zu tun, das in Massen für sehr kleines Geld ständig zu haben ist. Der Preis ist hoch: Gewächshaus- und Folien Landschaften, Einsatz von enorm viel Pestiziden, Anbau auf Steinwolle unter Zugabe von Nährlösung im Wasser, Dauerbeleuchtung und Dauerheizung sind riesige Ressourcen Verbrenner, ganz abgesehen vom Transport und Kühlung (was übrigens jede Tomate in einen roten Wasserball verwandelt). 

[Literaturempfehlung: Hendriks, Annemieke; Tomaten. Die wahre Identität unseres Frischgemüses. Eine Reportage. Berlin 2017] 

Neben unserer Begeisterung ist die Tomate mit ihren Eigenschaften sehr interessant. An erster Stelle steht: Die Tomate ist ein Überlebenskünstler (nur Kälte und Dauernässe sind ihr zuwider). Die Tomatenpflanze muss nach dem Einsetzen nicht mehr gegossen werden. Das Wurzelwachstum einer Tomate ist im Anbau sozusagen Erziehungsfrage. Wer seine Tomaten jeden Tag gießt, wird erleben, wie sich die Wurzeln nach oben ausrichten und daher bei Trockenheit ständig und viel Wasser genutzt werden muss. 

Setzt man die Tomate tief (etwa 40 cm, nur die beiden obersten Blätter bleiben ohne Erdkontakt stehen), wässert sie dabei einmal ordentlich ein und verzichtet auf weitere Wassergaben, wird man feststellen, dass die Wurzeln tief in den Boden reichen. Selbst bei großer Trockenheit kann Wasser aus der Tiefe gewonnen und nach oben transportiert werden. Wir empfehlen beim Pflanzen zudem die Zugabe von Schafwolle als Wasserspeicher und Nährstofflieferanten wie Stickstoff und Schwefel. Selbige ist nach einem halben Jahr verschwunden. Eine kleine Kompostgabe empfiehlt sich auch, am wichtigsten ist die Zugabe von Mikroorganismen, die sich an die Wurzeln anhaften und Nahrungsaufnahme für die Pflanze ermöglichen. Die Bodenwerte bei uns liegen um die 20, und trotzdem ist diese Kombination mehr als ausreichend. Die Tomate ist genau wie die Kartoffel auf diese Weise eine Pionierpflanze auf frisch umgebrochenen Böden. In dürren Jahren eine echte Alternative mit guten Erträgen. 

Wir zeigen, dass die Tomate im Feldbau unter extremen Bedingungen wie Dürre, Hitze und Kältewellen hervorragende Ergebnisse ohne jegliche Wasserzugabe und chemische Düngung (Energieeinsatz) ganz besonders für Brandenburg geeignet scheint. 

Chili: Ich esse nicht gern scharf, da ich es nicht gewohnt bin. Wer sich jedoch einem Geschmacks Spezialisten der Küche anvertraut, wird auch hier Aromen erleben, die kein Paprika hervorbringen kann. Schärfe kann durch Zubereitung reguliert werden. Milde Sorten haben Mango- oder Apfel-Aromen und vieles mehr gleichzeitig. Zudem ist diese Pflanze inzwischen klimatisch in Brandenburg sehr gut angekommen, im Freiland. Lediglich den Winter schafft sie nicht. Überwinterung ist allerdings in Töpfen im Warmen möglich und empfehlenswert. 

Was begeistert euch an eurer Arbeit am meisten?

Wir arbeiten mit der Natur, in ihrem eigenen Rhythmus, rund um das Jahr. Ich erlebe jeden Tag, wie unsere Arbeit auch Vielfalt im Insekten- und Vogelreich erhält und verbessert. Das ist schön. Wenn wir die Ergebnisse unserer Arbeit liefern, stoßen wir auf Wertschätzung gegenüber unseren Produkten und der Arbeit dahinter. Vielfalt und Anpassung der Arbeitsweisen und Produkte, das Erreichen der höchstmöglichen Qualität sind dabei eine starke Antriebsfeder. Und das Teilen einer Leidenschaft und Freude.

Was sind für eure Arbeit momentan und in Zukunft die größten Hürden und  Herausforderungen?

Wir arbeiten mit der Natur und beachten die Ansprüche der Kulturen, arbeiten im Einsatz energie- und wassersparend – das bedeutet mehr als Anpassung.

Zur größten Hürde aktuell: Wir sind auf die Zusammenarbeit mit einer Gärtnerei angewiesen, um im Februar den Chili und im März die Tomaten in den erfolgreichen Kulturstart zu bringen. Aktuell haben wir ein akutes, breites Sterben von Gärtnereien in der Fläche des Landes. Erstens sind Altersgründe zu nennen, eine ganze Generation geht und hat wenig Nachfolger. Zweitens haben es Gärtnereien in der Konkurrenz zum Großhandel und Discount zunehmend schwer gehabt, sie müssen auf Risiko arbeiten und haben nur kleine Gewinnmargen. Drittens gab es zwei Jahre Einbrüche im Zusammenhang mit Corona, und im Augenblick hält jeder sein Geld zusammen und gibt wenig für Qualität aus. Aktuell sind die Gärtnereien laut TASPO auf der Hälfte ihres Einsatzes sitzen geblieben (Zierpflanzen). 

Viertens wissen die Gärtnereien nicht, ob sie im kommenden Winter überhaupt ihre Gewächshäuser heizen können, der übernächste scheint aktuell noch fraglicher.
Wir haben dieses Jahr aus Altersgründen bereits die zweite Zusammenarbeit mit einer Gärtnerei traurigen Herzens einstellen müssen. Ob es im kommenden Jahr Tomaten und Chilis bei uns geben wird, ist derzeit eine offene Frage.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Berliner Restaurants? 

Wir haben viele Jahre auf der Montage gearbeitet, meist von Januar bis Mai und von September bis November. Daneben habe ich die Ahrensdorfer Kräuterwelt gestartet und erste sehr schöne Erfolge im Bereich Salat und Kräuter verzeichnen können, was den Geschmack und die Konsistenz und Vielfalt betrifft. 

Ein begeisterter Kollege war es, dem wir für sich und seine Familie etwas mitgegeben haben. In seiner Begeisterung hat er abends an uns gedacht, ist zwei Etagen nach unten in das Nobelhart und Schmutzig gegangen, hat unseren Salat gezeigt und ein erstes Kennlerngespräch ermöglicht. Danach hat sich alles ergeben.

 

Wir arbeiten mit der Natur und beachten die Ansprüche der Kulturen, arbeiten im Einsatz energie- und wassersparend – das bedeutet mehr als Anpassung.

 

Warum seid ihr Mitglied der Gemeinschaft geworden? 

Wir teilen den Inhalt des Manifests der Gemeinschaft. Die Netzwerkarbeit bringt Erfahrungsaustausch und verbreitert die Möglichkeiten enorm für alle Beteiligten und nach meiner Meinung
auch für Brandenburg.

Fotos:
Dinah Hoffmann

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