Bouche Kombucha
Liebes BOUCHE Team, könnt ihr euch kurz vorstellen und erzählen, was ihr macht?
Sehr gerne. Wir sind BOUCHE – eine Brauerei aus Berlin, die sich auf Kombucha-basierte Getränke und Craft Brewing spezialisiert hat.
Kennengelernt haben wir (Walker, Yannic und Felix) uns eigentlich im künstlerischen Kontext. Felix und Yannic kennen sich bereits aus dem Studium. Sie teilten sich ein Atelier im Norden von Berlin, in das bald auch Walker mit seiner Kunst einzog. Er war es auch, der mit allen Künstler:innen aus der Atelier-Gemeinschaft eine Gruppenausstellung in den USA organisierte. Das brachte uns nicht nur näher zusammen, sondern auch auf Kombucha.
Ende 2019 haben wir begonnen, professionell Kombucha zu produzieren, in 0,33l-Flaschen sowie in 0,75l-Schaumweinflaschen abzufüllen und zu verkaufen. Von Anfang an ging es uns primär darum, ein qualitativ hochwertiges, aber dennoch zugängliches Produkt herzustellen und dabei das gesamte Potenzial von Kombucha auszuschöpfen.
Könnt ihr kurz erklären, was Kombucha ist und watum ihr euch genau dieses Produkt ausgesucht habt?
Kombucha ist ein fermentiertes Teegetränk, das aus dem komplexen Zusammenspiel von lebenden Kulturen (Hefen und Bakterien) entsteht.
Es ist ein faszinierendes Getränk, das für uns als Brauerei unglaublich viele Möglichkeiten bietet, uns kreativ auszuprobieren und gleichzeitig handwerklich weiterzuentwickeln. Der große Reiz liegt definitiv im Kreieren und Experimentieren.
Hinzu kommt das Potenzial von Kombucha im privaten, aber auch gastronomischen Umfeld; von einem Getränk, das seinen Platz irgendwo zwischen Limonade und Alkohol gefunden hat. Wir sind in einer Zeit angekommen, in der sich vor allem nicht-alkoholische Alternativen immer größerer Beliebtheit erfreuen. Dieses Interesse gibt uns die Chance, mit unserer Arbeit in die Tiefe zu gehen.
Ihr kommt ursprünglich nicht direkt aus der Lebensmittelwelt. Was hat euch dazu gebracht, eine Kombucha-Manufaktur zu gründen?
Kurz vorweg: Wir sehen uns nicht als Manufaktur, sondern als Brauerei. Wir haben gesehen, wie der Begriff „Manufaktur“ oft genutzt wird, um Produkte aufzuwerten oder zu suggerieren, dass sie nicht industriell hergestellt sind. Das hat ihn für uns etwas verwässert. „Brauerei“ hingegen steht für uns in erster Linie für etwas Handwerkliches und das bringt unsere Arbeit hier einfach sehr gut auf den Punkt.
Wie vorhin schon kurz erwähnt, kommen wir alle drei ursprünglich aus der Kunst- und Designwelt und hatten 2018 gemeinsam eine Ausstellung in den USA. Auf dieser Reise machte uns Walker mit Kombucha, der vor Ort schon etabliert war, bekannt.
Wir brachten einige Kulturen, die man zum Brauen von Kombucha braucht, nach Berlin zurück und Walker begann direkt mit dem Selbstbrauen in unserem Studio. Wir waren zunehmend begeistert von dem Prozess und den Aromen, die wir durch Experimente mit Hefen und diversen Aufgüssen erzeugen konnten. Ein ganzes Jahr verbrachten wir nur damit, den Prozess und den grundlegenden Geschmack unseres Kombuchas zu verstehen – bis wir irgendwann aus Walkers fünf Quadratmeter großem Gemäldelager, das wir in unseren ersten provisorischen Brauraum verwandelt hatten, herausgewachsen waren.
BOUCHE entwickelte sich aus diesen Anfängen heraus sehr organisch und wir wuchsen immer mehr zu einer richtigen Brauerei heran. Heute arbeiten wir in Berlin-Marzahn auf 380 Quadratmetern und decken weiterhin alles in-house ab: nicht nur die gesamte Produktion, sondern auch die kreative Gestaltung, die Kommunikation und den Vertrieb.
Wie habt ihr euch euer vielfältiges Wissen um Fermentationsprozesse und Brautechniken angeeignet?
Alles, was wir eingangs wussten, ging auf eine Kombination aus viel Recherche und handwerklichem Trial-and-Error zurück. Wir waren in den sozialen Netzwerken und Foren unterwegs. Wir haben massenhaft Literatur über Kombucha, Hefen und Fermentation, aber auch über Wein- und Bierherstellung gelesen. Am allerwichtigsten aber: Wir haben schnell begriffen, dass man über den eigenen Tellerrand hinausschauen, sich umhören und von anderen lernen muss. Viel Know-how verdanken wir unserem ersten Mitarbeiter, Andy. Ohne seine Brauerei-Erfahrung, die er tagein, tagaus mit uns geteilt hat, wären wir nicht da, wo wir heute sind.
Wir sind alle drei Quereinsteiger, die mit großer Neugier und Unvoreingenommenheit, aber auch einer gewissen Naivität ins Kombucha-Brauen gestartet sind. Das Gute daran? Wir sehen bei der Arbeit erstmal keine Grenzen. Und wenn sich doch welche auftun, arbeiten wir als Team zusammen und finden neue, kreative Lösungen, um weiterzukommen.
“Wir haben schnell begriffen, dass man über den eigenen Tellerrand hinausschauen, sich umhören und von anderen lernen muss.”
Was bedeutet die Herstellung von Kombucha in eurer Brauerei, auch vor dem Hintergrund einer steigenden Nachfrage und damit einhergehendem Ausbau?
Es ist echt spannend zu beobachten, wie sich der Markt für Kombucha in Deutschland und speziell in Berlin in den letzten Jahren entwickelt hat. Als wir mit unserer Akquise und den ersten Test-Batches angefangen haben, war definitiv noch nicht so viel los wie heute. Unsere eigene Kundschaft erstreckt sich mittlerweile vom kleinen Kiezcafé an der Ecke bis hin zum Sternerestaurant; der perfekte Beweis dafür, dass Kombucha viele Lücken füllen kann. Das macht es immer noch spannend wie am ersten Tag, die steigende Nachfrage fordert aber auch gewisses Wachstum von uns. Der große Vorteil der größeren Brauerei: die Qualität. Mit dem neuen Set-up können wir nämlich noch besser und präziser brauen.
Zwischen unserer ersten kleinen Fermentationskammer im Atelier und dem großen Umbau unserer Brauerei im Spätsommer 2022 hat sich einiges getan: Zuerst brauten wir in bescheidenen 30-Liter-Tanks, dann in 300-Liter-Tanks und jetzt in vergleichsweise massiven 5000-Liter-Tanks. Was für uns groß ist, ist aber im Vergleich immer noch eine Mikrobrauerei. So oder so sind wir Veränderungen gegenüber generell positiv eingestellt. Dabei ist es uns am allerwichtigsten, Wege zu finden, unsere Qualität nicht nur zu bewahren, sondern aufzubauen – und das können wir jetzt noch besser als zuvor.
Die experimentellen Praktiken, die noch aus unseren Anfangstagen stammen, sind bis heute unser größter Vorteil. Wir haben gelernt, dass wir uns beim Wachsen nicht auf unseren Rezepten ausruhen dürfen. Denn nichts ist in Stein gemeißelt – vor allem nicht, wenn man mit einer lebenden Kultur arbeitet. Wer hier wachsen will, muss viele, ganz unterschiedliche Parameter berücksichtigen.
Welche Rolle spielt bei euch der Geschmack?
Seit der Gründung von BOUCHE liegt unser Fokus auf dem Geschmack. Er ist ein zentrales Element unserer Arbeit und der wichtigste Aspekt in Bezug auf unser Produkt.
Wir wollen tiefe, komplexe Strukturen, einen vollen Körper und Frische in unseren Getränken erzeugen. Sie sollen ein spannendes Mundgefühl mit sich bringen, das eine:n auf eine geschmackliche Reise schickt – vom ersten Kontakt im Mund, der über den prägenden Eindruck entscheidet, über die mittleren Nuancen, die den Charakter des Kombuchas bilden, bis hin zu den Aromen im Abgang, die dafür sorgen, dass das Getränk am Gaumen nachklingt.
Der Entwicklungsprozess unserer Geschmacksprofile orientiert sich immer an diesen drei Phasen. Einen neuen Geschmack zu finden und damit ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis zu erzeugen, war, ist und bleibt eine wesentliche Motivation für uns.
Geht ihr Kooperationen mit anderen Unternehmen ein? Wie sieht das konkret aus? Und wo braucht es noch mehr davon?
Auf jeden Fall. Tatsächlich hat sich unsere Zusammenarbeit mit der Gastronomie aus der Kooperation mit dem Berliner Sternerestaurant Cookies Cream entwickelt.
Wir haben Mitte 2020 beschlossen, unseren Kombucha in Schaumweinflaschen anzubieten. Cookies Cream waren die ersten, die unseren Ansatz, Kombucha mit natürlichem Wein zu vergleichen, zu schätzen wussten. Sie haben uns von Anfang an viel Vertrauen geschenkt und wir haben im Gegenzug maßgeschneiderte Geschmacksrichtungen entwickelt, die das Restaurant auf seiner Weinkarte anbieten konnte. Ganz ohne Cookies wären wir wohl nicht so schnell so weit gekommen. Wir waren nicht nur inspiriert, unser Kerngeschäft zu verlegen, sondern auch, vermehrt kooperativ zu arbeiten.
Im Rahmen der limitierten BOUCHE Artist Editions etwa durften wir mit experimentellen Zutaten und Geschmacksideen spielen, während wir befreundeten Künstler:innen mit der Gestaltung der Etiketten eine kleine Bühne geben konnten. Sehr bald wurden wir von lokalen Gastronomen und Gastronominnen auf eine mögliche Zusammenarbeit angesprochen. Das war nicht nur eine großartige Gelegenheit, unsere Kreativität sowohl im Geschmack als auch im Design zu zeigen, sondern wichtige Kontakte zu knüpfen und uns in der Gastronomieszene zu etablieren.
Wir denken, dass durch Symbiosen Dinge entstehen, auf die man im Alleingang wahrscheinlich nicht gekommen wäre. Für uns sind Kooperationen deshalb ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie. Wir sehen die Zusammenarbeit mit Partner:innen aus der Gastronomie und dem Einzelhandel als Chance, die Marke des:der jeweiligen anderen umfassend zu unterstützen. Man wächst nicht bloß datengetrieben, sondern organisch – aus Spaß an der Sache.
Was muss sich eurer Meinung nach in den kommenden Jahren innerhalb der Lebensmittelbranche verändern?
Für die Zukunft wünschen wir uns weniger Gutgläubigkeit (etwa im Hinblick auf Siegel) und stattdessen mehr Willen zu differenzieren; also produktbezogene und unternehmerische Entscheidungen kritisch zu hinterfragen.
Regionalität ist wichtig, aber nicht immer möglich. Unser Produkt ist per Definition durch den Tee einer Überregionaliät unterworfen, ähnlich wie Kaffee und Schokolade. Der Fokus sollte dann klar auf der Qualität der Rohstoffe und ihrer Verarbeitung liegen. Die Grundzutat sollte ökologisch vertretbar sein und zu fairen Bedingungen gehandelt werden.
Wir nutzen Transparenz, um Verantwortung zu übernehmen. Wir sehen darin aber auch ein essenzielles Tool, um Konsument:innen zu bilden. Sie darüber zu informieren, was es braucht – oder eben nicht braucht – um qualitativ hochwertige Produkte zu erzeugen. Dabei verzichten wir aber sehr bewusst auf das Sammeln von Siegeln, die in Realität oftmals weniger wert sind, als sie versprechen.
Generell aber sollte das Ziel – nicht nur als kleines, sondern vor allem auch für große Unternehmen – sein, sich dennoch ständig verbessern zu wollen und Gewinne in eine nachhaltigere Zukunft zu investieren.
Aus eigener Erfahrung wissen wir auch, wie wertvoll das eigene Netzwerk und der Einblick in die Bemühungen anderer sein kann. Ein Zusammenschluss vieler kleiner Akteur:innen ist genau das, was es braucht, um Ideen zu entwickeln, die die Großen zum Umdenken zwingen – am besten über den Umweg der Konsument:innen.
Wir sollten weiterhin bestehende Strukturen infrage stellen und Entscheidungen sowohl in Bezug auf die Produktion als auch den Konsum bewusst(er) treffen. Gute Alternativen bzw. die Arbeit, die investiert wird, um den Zugang zu einem nachhaltigen Handwerk zu erleichtern, sollten gefördert werden. Außerdem sollte es mehr Möglichkeiten geben, profitabel zu sein, ohne dabei zum Sell-out werden zu müssen.
Gibt es spannende Projekte für die Zukunft, die ihr mit uns teilen möchtet?
Wir haben eben unsere Brauerei ausgebaut, uns weiter professionalisiert und größer aufgestellt. Mit den neuen Kapazitäten können wir die steigende Nachfrage, die wir aktuell auf dem Markt sehen, noch besser bedienen. Darin steckt einerseits viel Potenzial, um mit unseren 0,33l-Flaschen neue Wege und Märkte zu entdecken. Wachstum ist ja, wie bereits erwähnt, ein ständiger Begleiter. Gleichzeitig werden die 0,75l-Flaschen und NOVIN noch mehr zu etwas Besonderem, da diese Produkte weiterhin per Hand abgefüllt werden und nicht einfach “mitwachsen” können. So oder so erhoffen wir uns mit dem neuen Set-up in der Brauerei, in eine kleine Zwischenstation einkehren zu können und dort eine kurze Verschnaufpause zu bekommen. Der nächste Schritt lässt mit Sicherheit nicht allzu lange auf sich warten.
Nebenbei arbeiten wir immer wieder an kleinen und größeren Shadow Projects; oft ohne zu wissen, was davon überhaupt je das Licht der Welt erblicken wird. Wir lieben es einfach, zu experimentieren und dabei zu lernen. Zu derartigen Projekten zählen neue Kombucha-Sorten wie BOUCHE CASCARAH in Kooperation mit Bonanza Coffee Roasters, ein aromatisiertes weinhaltiges Getränk (AWG), für das wir Trauben von Weingut Baumberger mit Kombucha-Kulturen versetzt haben oder die von uns entwickelte Proxy NOVIN.
NOVIN im Speziellen ist ein sehr spannendes Projekt für uns. Es bietet die Chance, Kombucha nochmal in einem völlig anderen Licht zu präsentieren – als Alternative zu Wein. Der Markt der sogenannten Proxies bildet sich gerade erst, außer ein paar verschworenen Produzent:innen ist alles noch sehr klein und familiär. Wir sind happy, von Anfang an dabei zu sein und versuchen durch NOVIN immer mehr Endverbraucher:innen, aber auch die Gastronomie für diese Niché zu begeistern. Bislang fehlte es oft noch an Wissen oder eben dem richtigen Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Außerdem wird es nach Kunstprojekten mit David Schiesser, Tom Król, Sonja Yakovleva, Michael Müller und Malte Zenses wieder mehr BOUCHE Artist Editions geben.