Jonna Meyer-Spasche

 

Jonna Meyer-Spasche hat schon als Kind ihre Hände in die Körnersäcke der Bohlsener Muehle getaucht. Die Faszination für Getreide ist geblieben, und so ist sie eine der Initiator:innen des Korn.Labor, ein Netzwerk und Experimentierraum für alle, die aus Getreide und Hülsenfrüchten noch mehr herausholen möchten. Daneben arbeitet sie für die Bohlsener Mühle im politischen Berlin daran, das Ernährungssystem nachhaltiger zu gestalten.⁣ 

Hallo liebe Jonna. Kannst du ein paar Worte zu dir sagen und in welchem Bereich du tätig bist?

Ich arbeite für die Bohlsener Mühle, einen Bio-Getreideverarbeiter aus der Lüneburger Heide. Dort bin ich auch aufgewachsen, lebe aber seit ein paar Jahren in Berlin. Hier will ich jetzt das KornLabor aufbauen.

 

Du hast mit Kolleg:innen das KornLabor ins Leben gerufen. Was ist das KornLabor und was wollt ihr damit bewirken? 

Genau, zusammen mit Olga Graf und Laurent Mekul arbeite ich an dieser Idee. Wir wollen mehr Vielfalt in der Kornwirtschaft, auf den Feldern, in der Produktion und auf den Tellern. Dazu wollen wir eine eigene Mühle aufbauen, die kleine Mengen von vielfältigen Rohstoffen verarbeiten kann. Die Produkte wollen wir über Marktstände und online an Verbraucher:innen verkaufen, aber auch an Bäckereien und andere Verarbeitungsbetriebe, die besonderes Getreide oder Hülsenfrüchte aus der Region haben wollen. Außerdem wollen wir ein Netzwerk aufbauen, in dem sich alle Beteiligten austauschen können und in dem wir gemeinsam an Experimenten arbeiten.

 

Was bedeutet Vielfalt für dich, welche Potenziale siehst du in ihr?

Vielfalt ist alles! Im Bereich Getreide und Hülsenfrüchte ist leider heute eine unglaubliche Uniformität am Markt, die Körner gelten als austauschbare Massenprodukte. Dass es im Bioladen mittlerweile nicht nur Weizen- und Roggenmehl gibt, sondern auch Dinkel, Emmer, Einkorn ist ja schon was. Aber wenn man wissen möchte, welche Sorten das sind, wird’s schon dünn.

Wir haben mal einen kleinen Backversuch mit fünf Roggensorten gemacht, also fünf verschiedene sortenreine Sauerteigbrote, und die haben wirklich unterschiedlich geschmeckt! Was wir alles verpassen an Geschmackserlebnissen, nur weil das System so sehr auf die Industrie ausgerichtet ist!

Dabei brauchen wir viel mehr Vielfalt auf den Feldern, für Biodiversität, aber auch, um sich besser an den Klimawandel anzupassen. Es geht um Sorten und Arten, also auch Buchweizen, Amaranth, Hafer, Gerste, Ackerbohne, Kichererbse, Linse, Erbse, was gut zum Standort passt und für die Fruchtfolge nötig ist, und was man dann alles Tolles daraus machen kann, wenn man es nur ausprobiert. Ich könnte Stunden über dieses Thema reden.

“Hier müssen wir alle noch viel ausprobieren und lernen, und darum ist die Zusammenarbeit von allen Beteiligten so wichtig. Damit man gemeinsam Risiken eingeht und sie durchs Teilen beherrschbar macht. Und damit man versteht, was die Bedürfnisse der anderen Akteur:innen sind, und womit man spielen kann.”

Wie sähe für dich die optimale Korn-Wertschöpfungskette aus?

Vielfältig natürlich! Was auch bedeutet kleinteiliger, dezentraler. Es soll jetzt nicht zu niedlich werden, für die Verarbeitung von großen Mengen Getreide, um alle Menschen satt zu bekommen, braucht man natürlich auch ein paar große Mühlen und Verarbeitungsbetriebe, klar. Aber das kleine und mittelgroße ist in den letzten Jahrzehnten einfach weggestorben, weil es nur noch um Effizienz und die letzte Cent-Optimierung ging. Vielfältige Körner können aber nicht industriell verarbeitet werden, weil die Qualitäten schwanken, weil sie teilweise ganz spezielle Anforderungen stellen. Zum Beispiel Weizen und Roggen sind unkompliziert, aber schon Dinkel oder Gerste müssen erstmal geschält werden, Hirse muss sofort getrocknet werden und ist wegen der kleinen Körner komplizierter in der Reinigung, usw. Aufbereitungsbetriebe für Hülsenfrüchte für die menschliche Ernährung sind total rar.

Gebraucht werden also vielfältige Reinigungs- und Mühlenbetriebe, und das am besten gut über das Land verteilt, damit die Landwirte mehr Optionen haben, ihre Feldfrüchte auszudifferenzieren, weil es die nötigen Partner in ihrer Region gibt. Gerade in Ostdeutschland sieht es oft mau aus mit der Kleinteiligkeit, schon weil die Felder und Höfe so riesig sind. So sind sie dann eingeschränkt, was sie Neues ausprobieren können, weil sie nicht wissen, wohin dann damit. Zumal die Körner eine andere Vermarktung brauchen, weil sie gerade anfangs in der Experimentierphase noch teurer in der Herstellung sind.

 

Ein zentraler Aspekt eurer Arbeit ist das Bilden von Netzwerken. Warum ist das deiner Meinung nach wichtig? 

Das knüpft genau an das Thema Wertschöpfungskette an: Wir glauben, dass eine größere Körner-Vielfalt ein immenses Potenzial hat, und zwar auf allen Stufen. In der Züchtung, oder auch im Wiederanbau alter Sorten, in der Landwirtschaft, in der Verarbeitung bis hin zur Verwendung dieser Körner. Hier müssen wir alle noch viel ausprobieren und lernen, und darum ist die Zusammenarbeit von allen Beteiligten so wichtig. Damit man gemeinsam Risiken eingeht und sie durchs Teilen beherrschbar macht. Und damit man versteht, was die Bedürfnisse der anderen Akteur:innen sind, und womit man spielen kann. Wir sprechen auch lieber von einem Wertschöpfungsnetzwerk als von einer Kette, weil alle miteinander sprechen sollten, anstatt dass quasi zwangsläufige Signale von A nach B nach C laufen.

“Dabei brauchen wir viel mehr Vielfalt auf den Feldern, für Biodiversität, aber auch, um sich besser an den Klimawandel anzupassen.”

Wer sind aktuell wichtige Partner für eure Arbeit und mit wem möchtet ihr in Zukunft verstärkt zusammenarbeiten? 

Momentan sind es vor allem experimentierfreudige Landwirt:innen, von denen wir unsere ersten Körner beziehen wollen, um sie dann erstmal per Mockmill zu vermahlen und zu verkaufen. Mockmill ist unser erster offizieller Partner und stellt uns Mühlen und Flocker zur Verfügung. Im nächsten Schritt möchten wir dann noch stärker mit experimentierfreudigen Bäckereien und anderen Verarbeiter:innen arbeiten. Auch Hersteller von Aufbereitungsgeräten wären toll als Partner – die kleinteilige Reinigung der Körner ist aktuell noch eine Herausforderung.

 

Wie kommt es dazu, dass du diese Leidenschaft für Getreide hast?

Die Bohlsener Mühle gehört meinem Onkel Volker Krause, insofern habe ich von klein auf den Geruch in der alten Wassermühle eingeatmet, ich liebe den. Und ich habe natürlich viel, viel Vollkorngetreide gegessen. Wir waren “Müslis”, “Körnerfresser”, als das noch Schimpfworte waren. Und jetzt – je mehr ich mich mit dem ganzen Thema beschäftige, umso faszinierender finde ich es.

 

Neben deiner Arbeit im KornLabor engagierst du dich auch politisch beim Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Welche Ziele verfolgst du mit deinem Engagement?

Das mache ich für die Bohlsener Mühle bzw. für meinen Onkel, der Vorstand im BÖLW ist. Das ist der deutsche Dachverband der Bio-Verbände wie Bioland, demeter, Naturland, AöL, BNN usw. Die Arbeit des Verbands finde ich total wichtig, er setzt sich schließlich für die Ernährungswende ein, und für Nachhaltigkeit in der ganzen Lebensmittelwirtschaft. Auch hier ist wieder der Blick auf die gesamte Wertschöpfung so wichtig: Das Ziel von 30% Bio-Landbau bis 2030 kann ja nur erreicht werden, wenn es auch Verarbeitungsbetriebe und Händler gibt, die die Rohstoffe entsprechend aufnehmen, und das am besten regional. Gibt es in einer Region keinen Bio-Schlachter oder einen Betrieb, der saisonale Überschüsse von Obst und Gemüse einkocht oder einfriert, stellen die Landwirte auch nicht um. Mit dem Verband erarbeiten wir zum Beispiel Empfehlungen, was geeignete politische Maßnahmen wären, um solche Strukturen zu fördern.

“Wir glauben, dass eine größere Körner-Vielfalt ein immenses Potenzial hat, und zwar auf allen Stufen. In der Züchtung, oder auch im Wiederanbau alter Sorten, in der Landwirtschaft, in der Verarbeitung bis hin zur Verwendung dieser Körner.”

Hast du in den letzten Jahren bereits eine spürbare Veränderung im Lebensmittelsystem erlebt?

Die Bios haben natürlich lange schon ziemlich viel abseitiges Zeug gemacht, aber ich finde schön zu sehen, wie das sein Image wechselt und weniger trocken und rein vernunftgetrieben daherkommt. Sondern dass durch jüngere Landwirt:innen oder auch Start-ups oder Initiativen wie Kantine Zukunft das Nachhaltigkeitsthema und die Ernährungswende nochmal ganz anders angetrieben werden. Endlich Mainstream werden, bei diesem Thema wäre das doch super.

 

Warum bist du Mitglied von Die Gemeinschaft geworden und was wünschst du dir für die Zusammenarbeit? 

Mir gefällt bei Die Gemeinschaft, dass es lauter Macher:innen sind. Alle wollen etwas verändern, vieles davon überschneidet sich, man spricht offen miteinander und arbeitet gern zusammen, ohne Sorge, dass einem die anderen eine Idee klauen oder so etwas. Es ist so positiv, vertrauensvoll und konstruktiv, das ist eine schöne Stimmung. Und immer, wenn man zusammenkommt, geht es um Essen und Genuss. Was könnte es besseres geben!

Fotos:

Jonna Meyer Spasche, Carla Ulrich

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