Sophia Hoffmann

Sophia Hoffmann ist Köchin, Kochbuchautorin und Aktivistin und setzt sich als als Expertin und Speakerin neben Food-Themen wie Lebensmittelverschwendung und Biolandwirtschaft auch für gesellschaftliche, soziale und feministische Themen ein, denn sie sagt: Alles hängt zusammen. Ihr Schwerpunkt liegt in der pflanzlichen Küche und diese möglichst regional und ganzheitlich umzusetzen.

Warum bist du Köchin geworden – was begeistert dich an diesem Beruf?

Weil es ein Prozess ist, bei dem man sich ein Leben lang weiterentwickeln kann und nie das Gefühl hat, alles zu wissen oder zu können. Diese Demut der ständigen Entwicklung und Entdeckung birgt für mich mehr Motivation als die Idee, ein bestimmtes Ziel zu erreichen bzw. irgendwo anzukommen und dort zu verharren. Die Quellen der Inspiration sind schier unendlich. Nicht nur was das kulturelle und historische Spektrum von Kulinarik weltweit anbelangt, sondern auch die neuen innovativen Perspektiven gerade im Bereich pflanzlicher Küche. Zudem ist die Zubereitung von Speisen die wohl unmittelbarste kreative Tätigkeit, mit der man innerhalb kürzester Zeit ein Ergebnis erzielen und teilen kann: Man serviert, und das Ganze wird verspeist. Man kann sich und andere Menschen damit glücklich und satt machen. Was kann man sich Schöneres denken? Das sind Aspekte, die mir sehr viel geben, nicht weil es mein Ego nach permanenter Bestätigung dürstet (was sicher auf manche Köch:innen zutrifft, das wäre für mich die falsche Motivation), sondern weil es mich glücklich macht, andere glücklich zu machen. Klingt kitschig, ist aber so.


Was bedeutet gutes Essen für dich?

Hochwertige Zutaten in Bioqualität, einfach und schmackhaft zubereitet.


Welche Verantwortung haben Köch:innen ihrer Umwelt gegenüber?

Ich habe gewissen Grundwerte und diese sollen sich auch in meiner Arbeit widerspiegeln. Ich bin eine absolute Verfechterin von Bio-Erzeugung und habe vor kurzem eine Weiterbildung zur „Fachfrau für Bio-Gourmet-Ernährung“ an der IHK Köln absolviert. Für mein eigenes Restaurant (in Planung) möchte ich eine Biozertifizierung, in der deutschen Gastronomie ist das leider immer noch kein großes Thema, beispielsweise im Vergleich zu skandinavischen Ländern. Viele Gastronom:innen schrecken die Extra-Kosten einer Zertifizierung ab, ich denke aber, dass das Siegel für Verbraucher:innen ein tolles Qualitätsmerkmal ist, beim Einkaufen achten auch immer mehr Menschen darauf.
Ich sehe die Verantwortung der Gastronomie auf gut deutsch gesagt darin „nicht jeden Scheiß mitzumachen“: bei Isla Coffee Berlin, wo ich zuletzt gearbeitet habe, gibt es keinen Avocadotoast, kein Bananenbrot und keine Tomaten im Winter und trotzdem sind unsere Gäste mehr als happy über Buchweizenporridge, Apfelkuchen und selbst gemachtes Sauerkraut.

Welche Vor- aber auch Nachteile hat es, als Quereinsteigerin in der Gastronomie zu arbeiten?

Wichtiger finde ich darüber zu sprechen WARUM ich Quereinsteigerin bin, denn darüber habe ich bei der Arbeit an meinem neuen Buch, das im April 2021 erscheinen wird, viel reflektiert: Weil es immer noch keine zeitgemäße Köch:innen-Ausbildung mit Schwerpunkt pflanzliche Küche gibt und weil mir vor 20 Jahren nach meinem Schulabschluss schlichtweg die weiblichen Vorbilder in diesem Beruf fehlten. So kam ich damals nicht auf die Idee, den Ausbildungsweg einzuschlagen obwohl ich schon von kleinauf eine große Leidenschaft für das Kochen hegte und seit dem Teenager-Alter in Küchen gejobbt habe. Representation matters. Zum Glück ändert sich das langsam und ich freue mich, einen Teil dazu beitragen zu können. Viele Frauen sind Quereinsteiger:innen, weil sie sich ihre eigenen Arbeitswelten schaffen, Impulse einbringen, die in einer festgefahrenen Branche fehlen, aus einer Notwendigkeit nach Veränderung heraus. Nachteile sehe ich keine. Ich habe einen Ausbildungsberuf erlernt (Friseurin) und weiß, dass es sehr stark von der Qualität des Ausbildungsbetriebs abhängt, mit welchem Wissen man nach der Gesellinnenprüfung dasteht. Dieses Wissen kann man auch auf alternativen Wegen erlangen.


Warum bist du Mitglied der Gemeinschaft geworden?

Weil ich Gemeinschaften grundsätzlich super finde und glaube, dass vom Netzwerken und einem „Miteinander“ alle Beteiligten profitieren. Und gerade die engere Zusammenarbeit und der Austausch zwischen Gastronom:innen und Produzent:innen ist ein wichtiger Teil davon.


Was wünschst du dir für die Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaft – gibt es bestimmte Ziele, die ihr gemeinsam erreichen wollt?

Ich finde es wichtig das Motto „Gutes Essen für Alle“ vor Augen zu behalten, Vorbildwirkung und Bildungsarbeit, die aber nie zu elitär sein sollte. Sensibilität für Gentrifizierung, die Gemeinschaft noch diverser zu gestalten und gute Lebensmittel für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen.


Wie kann man deiner Meinung nach die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Gastronomie – Landwirtschaft – Lebensmittelhandwerk generell stärken?

Durch Austausch, durch „Sich kennenlernen“. Köch:innen aufs Feld schicken, Direktbezug, Problematiken diskutieren und gemeinsam nach Lösungsansätzen suchen.
Für mich als Zero Waste-Expertin und Gastronomin in der Planung wird hier zukünftig sicher das Thema Ausschussware interessant, also auch mit Lebensmitteln zu arbeiten, die Mängel aufweisen, Nebenprodukte sind usw. diese in unsere Speisekarte zu integrieren und damit vielleicht auch günstigere Preise für Bio-Qualität anbieten zu können, ist unser großes Ziel.

 

Wir müssen verstehen, wie viel Aufwand es bedeutet, Lebensmittel herzustellen und auch darüber Bescheid wissen, welche Lebensmittel problematisch sind.“

 

Wie kann die Gesellschaft weiter für die Themen Zero Waste und Nachhaltigkeit sensibilisiert werden?

Sowohl in der Kochausbildung als auch in der klassischen Schulbildung muss hier ein stärkerer Schwerpunkt liegen. Wir müssen verstehen, wieviel Aufwand es bedeutet, Lebensmittel herzustellen und auch darüber Bescheid wissen welche Lebensmittel problematisch sind. Bananen sind nach Äpfeln in Deutschland das zweitbeliebteste Obst obwohl sie von weit her zu uns kommen. Bananen, Kaffee und Schokolade waren einst Luxusgüter und sind für uns heute Standard, wir verzehren sie alle quasi täglich zu Spotpreisen. Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass andere Menschen oft den Preis dafür bezahlen. Kinderarbeit und moderne Sklaverei sind leider beim Anbau traurige Realität, deshalb sollten wir auf Fairtrade setzen und weniger, aber bewusster konsumieren. Ähnliches gilt für tierische Produkte. Menschen, Tiere und Klima leider unter dieser Industrie. Nur wenn wir das wissen, können wir etwas verändern.


Hast du in den letzten Jahren bereits generell eine spürbare Veränderung im Lebensmittelsystem erlebt? Wenn ja, an welchen Stellen?

Beim Thema Fleischkonsum spüre ich Veränderung. Mittlerweile muss ich nicht mehr dauernd erklären, warum ich in meiner Küche auf tierische Produkte verzichte und mir unterstellen lassen, dass das nicht gut schmeckt. Da hat sich auf jeden Fall eine Menge getan, sowohl in meinem persönlichen Umfeld, im Supermarkt und auch in der Gastronomie. Viele Menschen essen weniger Tier und haben verstanden, dass industrielle Tierhaltung sowohl zur Klimakrise beiträgt als auch als Hauptauslöser für Pandemie wie Covid-19 verantwortlich ist. Obwohl wir das wissen, passiert von politischer Seite immer noch viel zu wenig um zukünftige Lebensmittelskandale, Klimaschäden und Krankheitsherde vorzubeugen. So frustrierend das erscheint, so viel hat sich schon in den letzten 10 Jahren verändert.


Was sind die wichtigsten Punkte, die sich deiner Meinung nach in den kommenden Jahren innerhalb der Lebensmittelbranche, Gastronomie, Landwirtschaft verändern müssen und warum?

Die Themen Lebensmittelverschwendung, konventionelle Tierzucht und Überfischung sind akute Klimathemen und wir sind mitten in einer weltweiten Klimakrise. Wenn wir nicht alle unseren Konsum verantwortungsvoller gestalten, gibt es wenig Perspektive für zukünftige Generationen. Wir alle müssen unser Konsumverhalten ändern, explizit weniger tierische Produkte konsumieren und in regenerative Landwirtschaft investieren.


Wen siehst du hierbei in der Verantwortung und warum?

Uns als Konsument:innen, Produzent:innen und Gastronom:innen, aber natürlich auch die Politik. Verantwortung darf nie alleinig auf den Schultern der Endverbraucher:innen abgeladen werden. Aber wir dürfen auch nicht alle Verantwortung abgeben. Da die regierende Politik von Lobbyismus zerfressen ist und sich zu wenig bewegt, müssen wir aktivistisch bleiben, Vertreter:innen abwählen, die sich von der Wirtschaft kaufen lassen, laut und fordernd bleiben. Das klare politische Ziel ist für mich die Agrarwende und zudem eine proaktive Unterstützung von Unternehmer:innen, die wegweisend nachhaltig arbeiten und sich z.B. in der Gastronomie bio-zertifizieren lassen.

Fotos
Annabell Sievert

Bearbeitung
Carolin Foelster

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