NaNum
Im Restaurant NaNum in Berlin wird koreanisches Essen auf eigener Keramik serviert und begleitet von hausgemachten Fermenten. Wir sprachen mit Inhaberin Jinok Kim-Eicken über Esskultur und die Bedeutung der Kreativität und Spontanität in ihrem Restaurant.
Liebe Jinok, stell dich bitte kurz vor, wer bist du und was ist das NaNum?
Vor mehr als 40 Jahren bin ich durch Einladung des DAAD als Sängerin nach Deutschland gekommen. In Berlin habe ich weiter studiert und anschließend viele Jahre als Altistin speziell für Barock- und moderne Musik gearbeitet. Vor 15 Jahren begann ich parallel zu den Tönen mit Ton zu arbeiten und habe über die Jahre eine eigene Formensprachen aus europäischen und koreanischen Elementen entwickelt.
2018 habe ich zusammen mit meinem Mann in dem außergewöhnlichen Bauprojekt in der Lindenstraße das Galerie Restaurant NaNum eröffnet. Dort servieren wir auf meinen Keramiken Mehrgänge-Menüs, deren Schwerpunkt um das Thema Fermente kreist.
Wie genau kamst du dazu, das NaNum zu gründen, was war deine Motivation?
Der anfängliche Beweggrund war, etwas zurückzugeben. Ich habe so viele Dinge hier in Berlin und Europa erfahren, gelernt und meinen Blick erweitern können; nun war es an der Zeit Danke zu sagen und von mir etwas zu geben. Was ich geben kann, hat sich mit der Zeit immer deutlicher abgezeichnet. Das NaNum ist der Ort, wo ich versuche auf aktuelle Fragen aus meiner Sicht Antworten zu geben – ausgehend von den künstlerischen Erfahrungen, den Erlebnissen meiner Kindheit und einer alten koreanischen Traditionen der Speisenzubereitung.
Was ist das Besondere an eurem Restaurant?
Das NaNum geht zu den Ursprüngen zurück und entwickelt von dort eine eigene Küche, die zwar Fisch und Fleisch nicht ausschließt, aber einen veganen Schwerpunkt mit vielen selbst hergestellten Fermenten hat. Wir möchten zeigen, wie schmackhaft, aufregend und überraschend eine solche Küche ist.
Ihr habt auch einen Garten. Kannst du uns davon erzählen?
Nun, der Garten, und auch der benachbarte Wald, sind die Quelle und der Ursprung. Natürlich kommt nicht alles aus unserem Garten, aber vieles, was wir zu Fermenten verarbeiten. Manches, wie das wilde Sesamblatt, ist hier in Berlin eher unbekannt, und das Unkraut bringen wir auch am besten gleich aus dem eigenen Garten mit. Der Garten ist aber auch ein stark verbindendes Element. Er verbindet uns mit den Jahreszeiten, er bringt uns in Kontakt mit Erde, wenn wir in der Erde graben und buddeln, und er schenkt jedes Jahr aufs Neue das Faszinosum, dass da was keimt, wächst, um jeden Tropfen Feuchtigkeit ringt und – mal besser mal schlechter – Früchte trägt.
Du bist eigentlich Sängerin. Welche Arbeitsweisen oder “Lessons” nimmst du aus deiner vorherigen Arbeitswelt mit in die Lebensmittelbranche?
Egal, ob ich als Sängerin oder als Keramikerin oder als Köchin tätig bin, es ist immer eine Arbeit mit dem Körper. Nicht für oder gegen den Körper sondern mit dem Körper. Das ist für mich eine ganz wichtige Erkenntnis. Der Körper muss entspannt und im Gleichgewicht sein, er darf nicht zu bestimmten Bewegungen, bestimmten Tönen gezwungen werden. Sie müssen ganz selbstverständlich herausfließen, ganz natürlich. Nicht forciert. Das ist auch mein wichtigster Ansatz in der Küche. Nicht forcieren, nicht zwingen oder künsteln. Die Speise muss unaufgeregt und natürlich daherkommen. Man darf ihr die Arbeit nicht ansehen, erst im Mund soll sie ihre ganze Harmonie und Wärme preisgeben.
„Der Garten ist aber auch ein stark verbindendes Element. Er verbindet uns mit den Jahreszeiten, er bringt uns in Kontakt mit Erde, wenn wir in der Erde graben und buddeln, und er schenkt jedes Jahr aufs Neue das Faszinosum, dass da was keimt, wächst, um jeden Tropfen Feuchtigkeit ringt und – mal besser mal schlechter – Früchte trägt.“
Das NaNum ist neben dem Restaurant auch ein Raum für Keramik und Musik. Wieso ist es dir wichtig, diese Dinge an einem Ort zu verbinden?
Dass Alles mit Allem zusammenhängt, ist ja eine Binsenweisheit. Das Zusammenhängende ist für mich, keine Kontrolle über die Prozesse zu haben. Kreative Prozesse können nicht vorausbestimmt werden. Sie entstehen nur, wenn man das Vertrauen hat, dass nichts falsch gehen kann. Es ist eine Erkenntnis, die eigentlich für unser ganzes Leben gelten sollte. Unsere Welt ist viel zu angstgesteuert, man will alles unter Kontrolle halten, und zerstört damit so Vieles. In der Keramik ist die Natürlichkeit der Bewegung, das Ungezwungene und das Unvorhersehbare zum Ausdruck gekommen. Aus der gleichen Haltung heraus entstehen meine Menüs. So kommen sie gemeinsam zum Gast und erzählen ihre Geschichte von Vertrauen und Offenheit.
Du kochst hauptsächlich koreanische Küche. Was schätzt du an dieser Esskultur besonders und was davon würdest du gerne mehr in der Berliner Esskultur sehen?
In der konventionellen europäischen Küche sind pflanzliche Fermentationen fast immer mit der Vorstellung von sauer Eingelegtem verbunden. Sei es das Sauerkraut oder verschiedene Pickles. Die ursprüngliche koreanische Küche, nicht die, die wir allgemein als koreanisch wahrnehmen, ist viel weiter entwickelt in der Handhabung von Fermenten. Und zeigt uns vollkommen andere Geschmackserlebnisse. Allein die drei Hauptfermente Sojasauce, Gochujang und Doinjang, die in fast allen Speisen vorkommen, bieten einen unglaublichen Reichtum an Geschmack. Dazu kommt KimChi und der ganze Kosmos an Zangazi, also das sind alle möglichen eingelegten Kräuter, Wurzeln, Blätter, Früchte oder Blüten. Die Zukunft unserer Esskultur liegt in diesem Reichtum an pflanzlicher Fermentation. Fermentationen, das sind Prozesse, wo sich der Koch ganz zurücknimmt, das Lebensmittel sein lässt, wie es werden will, wo er Kontrolle abgibt. Es muss nicht jedes Mal genau das gleiche Ergebnis herauskommen.
Übrigens Vergleichbares sehe ich in der Herstellung von Naturwein. Auch dort kommen keine Zusatzstoffe zum Einsatz, um immer das gleiche Produkt zu erhalten, sondern der Winzer lässt die Trauben machen. Das schmeckt man, und das ist sehr verwandt mit koreanischen Fermenten. Deshalb sind wir so fasziniert von der Kombination unserer Gerichte mit Naturwein.
„ Kreative Prozesse können nicht vorausbestimmt werden. Sie entstehen nur, wenn man das Vertrauen hat, dass nichts falsch gehen kann. Es ist eine Erkenntnis, die eigentlich für unser ganzes Leben gelten sollte. {…} In der Keramik ist die Natürlichkeit der Bewegung, das Ungezwungene und das Unvorhersehbare zum Ausdruck gekommen. Aus der gleichen Haltung heraus entstehen meine Menüs. So kommen sie gemeinsam zum Gast und erzählen ihre Geschichte von Vertrauen und Offenheit.“
Du bist bekannt für dein KimChi, welchen Stellenwert nimmt das für dich und deine Gerichte ein.
Nun, KimChi ist bei koreanischem Essen immer dabei. Und es ist eins der stärksten Superfoods aufgrund seiner enorm starken Milchsäure, ein Vielfaches von der Milchsäure bei Joghurt, und sie reicht deshalb in ihrer Wirkung bis in den Magen und Darm.
Allerdings sehe ich auch, dass KimChi immer industrieller wird und das Verständnis für das Wesentliche verloren geht. Und ich sehe, dass viele in Deutschland das KimChi noch nicht so richtig verstehen, vielleicht weil zu sehr an Sauerkraut gedacht wird. Deshalb habe ich mich verstärkt damit beschäftigt, um zu zeigen, was KimChi so besonders macht. Und um zu zeigen, wie variantenreich KimChi sein kann. Und ganz nebenbei: KimChi machen, das ist ein Ritual, man muss es regelmäßig machen, mit Hingabe und Aufmerksamkeit, es verändert sich beim Machen und wird nach und nach immer besser. Auch mein KimChi ändert sich.
Warum seid ihr Mitglied der Gemeinschaft geworden?
Das ist ganz schnell gesagt. Die Esskultur zu ändern ist soo wichtig. Gerade hier in Deutschland wird die Ernährung viel zu gering geschätzt. Essen hat eine andere, viel komplexere Bedeutung als sättigen. Dafür müssen wir uns gemeinsam einsetzen.
Wo siehst du Potenziale in der Zusammenarbeit zwischen Gastronomie – Landwirtschaft – Lebensmittelhandwerk und anderen Disziplinen?
Natürlich gibt es da noch reichlich Potenzial. Das kostet nicht nur Geld sondern verlangt vom Gastronom auch viel Zeit. Und deshalb sehen wir vor allem am meisten Potenzial, die Gäste für ein werthaltiges und beseelendes Essen zu begeistern, damit sie verstehen, und auch gerne bereit sind, für ihr Essen mehr Geld auszugeben. Da muss in den Köpfen eine Umverteilung stattfinden.
Danke dir für das Interview und deine Zeit!