EZSRA
Hallo liebes EZSRA-Team! Stellt euch bitte kurz vor, wer seid
ihr und was ist das EZSRA?
Das EZSRA ist ein Bistro, ein Restaurant, eine Weinbar – je nachdem,
welche Perspektive man einnimmt. Ein Ort der Diversität in allen
Belangen. Vom Team über die benutzten Produkte und unser
Endprodukt. Mit einem enormen Fokus auf direkter Arbeit mit
Produzent:innen. Ein Gastraum mit Küche und Bar. Alle Gäste und
das gesamte Team in einem Raum. Es ist ein sehr persönlicher Ort,
in dem alle Beteiligten wahrnehmbar sein sollen.
Wie kam es zur Gründung und welche Motivation steckt
dahinter?
EZSRA ist Teil eines langen Prozesses, sich durch verschiedene
Formen auszudrücken. Dieses Restaurant ist eine Form, durch
Gemeinschaft eine ästhetisch performative Sprache zu entwickeln, in
der sich dieser Gestaltungswille manifestieren und durch
Gastfreundschaft vermitteln kann.
Wir haben diesen Ort Anfang 2021 im 2. Lockdown entdeckt, ab
April dann knappe 4 Monate umgebaut und dann August 2021
eröffnet. Ein großes Bedürfnis war, so wenig wie möglich
Kompromisse einzugehen und trotzdem locker zu bleiben. Alles mit
dem wir arbeiten hat einen persönlichen Bezug. Das verbindet das
Private mit dem Öffentlichen. Uns ist wichtig emotional
mitzunehmen, unsere Begeisterung zu teilen, anstatt zu belehren.
Ihr arbeitet eng mit Produzent:innen direkt zusammen,
warum? Was bringt das für Vorteile und Hürden mit sich?
Grundsätzlich einmal ist regionales Arbeiten ein Geschenk. Es gab
zuletzt einige Stimmen, die behauptet haben, es ergebe Sinn mit
Produkten aus Brandenburg zu arbeiten, aber es sei sinnlich eine
Katastrophe. Wir haben eine ganze andere Einstellung dazu. Das ist
schon lange nicht mehr wahr mit einer kargen Auswahl an
durchschnittlicher Ware aus dem Umland. Wir erfahren eine unglaubliche Vielfalt und Energie von so vielen Produzent:innen
rund um und in Berlin. Auch grundsätzlich über Ostdeutschland
verteilt gibt es enorm viele tolle Projekte.
Die direkte Arbeit lehrt uns ungemein viel über Landwirtschaft und
ermöglicht im Gespräch, gemeinsam spontane Kreativität zu
entfalten für neue Produkte. Trotz der vielen bereichernden
Synergien versuchen auch wir unsere Energie etwas zu bündeln und
uns teilweise von Lieferanten Produkte von verschiedenen Höfen
bringen zu lassen. Die Vielfalt an ständigen Kontakten mit
Produzent:innen kostet einen wahnsinnig hohen Aufwand im
täglichen Betrieb. Diesen Aufwand empfinden wir grundsätzlich
aber als Bereicherung.
“Das ist ein Ausdruck gegen eine Kultur des
Wegwerfens. Etwas das etwa in sogenannter armer Küche undenkbar wäre.”
Anhand welcher Kriterien wählt ihr die Produzent:innen aus,
mit denen ihr zusammenarbeitet und wie findet ihr sie?
Fast immer ist der erste Kontakt über persönliche Beziehungen
entstanden von befreundeten Personen, oft aus der Gastronomie.
Oder auch ganz einfach durch Recherche nach regionalen
Produzent:innen. Uns ist Erhaltung von Biodiversität und
Bodengesundheit u.a. sehr wichtig. Außerdem die Verwertung aller
Teile eines jeden Produkts. Alle Projekte, die mit uns in Kontakt
sind, teilen diese Auffassung. Gleichzeitig halten wir den Erhalt von
lange gewachsenen Strukturen für wichtig und versuchen auch mit
seit Generationen arbeitenden Bauernfamilien zu arbeiten, die
vielleicht erst mit ihren kleinen Höfen in der Umstellung sind.
Welche Bedeutung hat die Zusammenarbeit mit anderen
Betrieben für euch und wie gestaltet ihr sie? Von welchen
Erfolgsgeschichten, aber auch Herausforderungen könnt ihr
berichten?
Wir haben einige Kooperationen gehabt und suchen danach auch
immer. Zum Beispiel, um Abfallprodukte zurück in die Warenkette
zu integrieren. Vertrocknetes Baguette von einem Weinhändler zum
Beispiel oder Fettabschnitte einer Prosciutto einer
Feinkosthändlerin. Das ist ein Ausdruck gegen eine Kultur des Wegwerfens.
Etwas das etwa in sogenannter armer Küche undenkbar wäre.
Um über Zero Waste zu sprechen, kann man sich
einfach mit sehr alten Traditionen der Cucina Povera in Italien
beschäftigen. Das sind Praktiken, die es schon immer gab und mit
fehlendem Überfluss ganz selbstverständlich sind.
Wir kommunizieren sehr viel und jedes Gespräch öffnet Türen.
Unser Experte Martin für wild gepflückte Produkte etwa lehrt uns
ständig welche Dinge verlorene Aromatik und Texturen in die
Küche zurück bringen können. Schwarzpappel-Blätter zum Beispiel
im April gaben uns eine nach Bienenwachs duftende Infusion für
unsere Verjus-Limonade.
Oder etwa unser Halloumi entstand während der Umbauphase
konzeptionell an einem Tresen in Neukölln im Gespräch mit Yule
und Paul von Urstromkäse. Während eines Besuches der Käserei
haben wir den Käse in der Entwicklung begleitet. Mittlerweile
benutzen wir die anfallende Molke und schließen weitere Kreisläufe.
Abfall zu vermeiden und hypersaisonale bzw. multidiverse
Produkt-Küche kann man spielerisch ansehen. Es ist extrem
anstrengend bis man es zu einem eigenen Habitus gemacht hat.
Dann wird es immer selbstverständlicher.
Was für eine Küche kocht ihr im EZSRA? Was ist euch bei dem
Konzept wichtig und was inspiriert euch?
Eine reduzierte wilde Produktküche, die richtig gut schmecken darf
und soll und auch mal lustig sein darf. Wir arbeiten an einer sehr
persönlichen Küche, die ein unglaubliches Augenmerk auf die
Region hat, aber auch sehr offen sein soll. Wir kochen omnivorisch,
reduzieren allerdings tierische Produkte enorm. Und persönlich
sind wir den Küchen der Welt zugewandt mit vielen Einflüssen aus
allen möglichen Teilen der Erde. Es gibt punktuell verschiedenste
internationale Köch:innen und Restaurants, die uns beeinflussen.
Und jede Lebenserfahrung jedes Team Mitglieds inspiriert uns
ebenso.
Wenn wir jemanden treffen, der ein tolles Produkt hat und nicht aus
der Umgebung kommt, bauen wir das auch manchmal ein. Wenn
uns jemand einen tollen Käse schenkt aus den Alpen, dann wird der
eingesetzt bis er aus ist. Es ist eine narrative Küche, die ausdrückt
was uns passiert und wer wir sind. Wir bauen kein Dogma auf, in
dem etwas erlaubt und etwas anderes verboten ist. Wir versuchen
uns selbst immer viel zu kritisieren im Auswahl- und
Arbeitsprozess. Aber solange wir in Beziehung mit unseren
Produkten sind und der Großteil aus der Umgebung ist, sind wir auf
dem richtigen Weg.
Wir sind sowohl mittags als auch abends offen. Wir bieten mittags 3
Gänge und abends 10 Teller in 8 Gängen an. Alle diese Teller
allerdings auch a la carte. Wir nehmen das sogenannte Neo Bistro
ziemlich ernst und versuchen die Arbeit mit einem klar
herausgearbeiteten Menü in all seinen Rhythmen zu verbinden mit
der Gastfreundschaft eines Weinbistros mit kleinen Tellern zum
Teilen. Es gibt eine kleine sich dauernd wandelnde Karte. Man kann
uns folgen im Menü oder nur etwas Kleines essen.
“Dieses Gefühl zu vermitteln, dass
man willkommen ist. Details zu sehen und Beachtung zu schenken.
Das jedem Gast, jeden Abend zu geben erfordert einen enorm
hohen psychischen Aufwand.”
Oft wird der Service weniger wertgeschätzt oder gefördert.
Welche Rolle spielt der Service für euch?
Da wir nur einen kleinen Gastraum mit Küche im Raum haben,
arbeiten wir als gesamtes Team am Gast. Dadurch verschwimmen
etwas klassische Muster der Brigaden. Vor allem die Küche muss
einigen Service machen an ihrem Tresen. Das ist schön, aber auch
anstrengend. Gastkontakt ist immer eine Herausforderung.
Service wird anders als Küche in Deutschland nicht als Handwerk
wahrgenommen. In unserem Fall ist jeder Service Gastgeber:in und
Berater:in. Allein um das Menü zu verstehen, Produkte und deren
Herkunft zu erklären. Das richtige Getränk zu finden usw. Wir
nehmen selten ohne Beratung eine Bestellung auf. Und natürlich
gibt es noch die Performanz des Gastgebens, das wichtig ist. Jeder
Gast möchte gesehen werden. Dieses Gefühl zu vermitteln, dass
man willkommen ist. Details zu sehen und Beachtung zu schenken.
Das jedem Gast jeden Abend zu geben erfordert einen enorm hohen psychischen Aufwand.
Das ist alles Service und wir haben in der Branche wahnsinnig Viele verloren,
die das noch machen wollen auf einem gewissen Niveau.
Was muss sich eurer Meinung nach innerhalb der
Lebensmittelbranche verändern? Was für eine Rolle spielen
Restaurants dabei?
Ob Orte wie wir alleine die großen Triebfedern der Veränderung
sind ist etwas fraglich. Da müssen wir ehrlich sein. Deswegen ist die
Verbindung vieler kleiner Betriebe etwa unter dem Dach der
‚Gemeinschaft‘ ein guter Ansatz. Obwohl wir mit den Geschichten
über unsere Produkte und unsere Arbeit natürlich vom Alltag der
Lebensmittelbranche berichten in gewissem Sinne. Und wir
unterstützen natürlich Produzent:innen, wenn wir mit Ihnen
arbeiten.
Wir machen in kleinem Rahmen aufmerksam und fördern
gewisse Produkte. Trotzdem werden wir sicher noch als ein Ort der
besonderen Gelegenheit wahrgenommen. Die Lebensmittelbranche
des Alltags muss sich aber definitiv ändern. Das was wir einkaufen,
mit dem wir selbst täglich kochen. Ich denke, dass Fortschritt und
Tradition zusammenkommen müssen. Nur altes Handwerk wird
wahrscheinlich die Krise alleine nicht meistern können. Ökologie
braucht auch Technik an der Seite, um eine relevante Quantität zu
erreichen. Automatisierung ist vielleicht wichtig, um ein gewisses
Preisniveau zu erreichen. Ich denke einer der großen Knackpunkte
ist die staatliche Förderung von ökologischem Handeln in der
Lebensmittelbranche bzw. Sanktionierung von schädlichem
chemischem Einsatz im Agrarwesen. Ein gutes Beispiel für
politische Steuerung ist die Pestizidsteuer in Dänemark von 2013.
Das hat einiges bewegt und könnte ein Weg sein.
Nur mit Appellen und ohne Anreize könnte der Wandel zu langsam
sein und nicht genug Menschen erreichen. Eine der großen
Probleme ist leider die Wahrnehmung des Wandels. Zu oft wird er
als Gängelung und nicht als Chance begriffen. Die Kommunikation
und breite Integration in der Gesellschaft ist wichtig. Gleichzeitig
kann man auch nicht jede:n mitnehmen. Das ist nicht möglich.
Und wir kreieren mit unserer Ästhetik sicher auch Ablehnung.
Dessen sollte man sich bewusst sein und versuchen, soweit möglich integrativ zu arbeiten.