Ingmar Jaschok

Ingmar Jaschok wurde auf dem Demeterbetrieb Bornwiesenhof in das Leben mit der Landwirtschaft hineingeboren. Nach seiner landwirtschaftlichen Ausbildung und Arbeit ist er nun mit seinen vermittelnden und aufklärenden Publikationen auf dem Hofhuhn.blog zu einer starken Stimme der tierwohlorientierten Nutztierhaltung geworden. Für mehr gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung der landwirtschaftlichen Arbeit und Erzeugnisse setzt er sich als Kommunikator und Hofberichterstatter auch bei Besserfleisch ein.


Hallo Ingmar, du bist zu einem Sprachrohr der bäuerlichen Landwirtschaft geworden, magst du kurz zusammenfassen wie es dazu kam?

Ich habe mich von dem, was ich so an landwirtschaftlicher Öffentlichkeit und Öffentlichkeitsarbeit gesehen habe, überhaupt nicht repräsentiert gefühlt. Gegen die Politik, gegen die Verbraucher:innen, destruktiv in der Diskussion und offensichtlich ohne eigene Ideen und Initiativen in Richtung Zukunft; dem wollte ich etwas entgegensetzen. Ich selbst hatte immer das Gefühl hatte, dass unsere Kund:innen und wir im gleichen Boot sitzen und gemeinsam etwas verändern können.

 

Hast du in deiner Kindheit und Jugend auf dem elterlichen Bauernhof auch deine berufliche Zukunft gesehen?

Als Jugendlicher wollte ich Journalist oder Schriftsteller werden. Über komplizierte Dinge nachdenken, sie verstehen wollen, bis sie am Ende als ein paar ganz einfache Gedanken vor mir auf dem Tisch liegen, war immer schon meine Sache. Die unbedingte Verantwortung und die finanzielle Aussichtslosigkeit der Lebenssituation meiner Eltern hat mich dagegen immer ziemlich abgeschreckt, obwohl ich zuhause viel mitgearbeitet habe. Mit Anfang 20 habe ich dann aber doch nochmal Feuer gefangen, meine Ausbildung zum Landwirt gemacht und anschließend eine Zeit lang Agrarwissenschaften studiert. Nebenbei habe ich aber auch immer schon darüber nachgedacht, wie ich meine Freude am Schreiben mit der Arbeit zusammenbringen kann und in dem Bereich u.a. auch meine Werkstudentenjobs gesucht.

Gerade die konventionelle Intensivhaltung gerät öffentlich immer wieder in Verruf, wie gelingt es dem ein neues Bild entgegenzusetzen ohne zu romantisieren?

Man muss der eigenen Interpretation vertrauen, glaube ich. Das ist die härteste Übung in einem Internet, das von Oberflächlichkeiten geprägt ist. Bin ich von dem überzeugt was ich tue, obwohl ich jeden Tag auch die Kehrseiten der Medaille erlebe, muss ich eigentlich nicht im Verteidigungs- oder Rechtfertigungsmodus durchs Internet trollen, sondern kann frei von Herzen sprechen. Schaffe ich das im Guten wie im Schlechten, habe ich gewonnen. Ein großer Faktor für den Hinterkopf ist dabei aber die Entfremdung zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft, die man nie vergessen darf und weswegen eine ehrliche Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz nicht unbedingt etwas mit wahllosem Draufhalten mit der Kamera zu tun hat, sondern damit, die Menschen abzuholen wo sie sind; In ganz anderen Lebensrealitäten und oft ohne Bezug zu Landwirtschaft, Nutztierhaltung und Themen wie Schlachtung. Da das richtige Maß an Empathie, Geduld und Überblick zu behalten ist nötig aber sicherlich nicht einfach.

 

Du möchtest unter anderem eine kompromisslose Veränderung in der Hühnerhaltung anstoßen, wie kann diese aussehen? 

Der Begriff ist inzwischen ziemlich malträtiert und man findet ihn überall, aber: ganzheitlich. Ei und Fleisch getrennt zu betrachten oder eins höher zu werten hat uns in die Situation gebracht, in der selbst im Ökobereich nach industriellen Standards produziert wird. Hühner als Monogastrier müssen raus aus der Nahrungskonkurrenz zum Menschen und rein in Betriebskreisläufe, in denen sie als Resteverwerter ihren Platz finden.

 

“Für mich läuft es immer wieder auf das Nähe-Thema hinaus: wir sind als Gesellschaft von so vielem entkoppelt und wollen uns nicht mit dem auseinandersetzen was wir verantworten”

 

Was muss sich auf dem Weg zur Wesensgemäßen Hühnerhaltung am dringendsten ändern?

 Das Image des Huhnes, bzw. von Hühnerprodukten als Massenware. Wie gesagt, auch im Biobereich gelten industrielle Standards, dass bspw. die Legehennen jedes Jahr ausgetauscht, oder spezialisierte Masthybriden gehalten und hochintensiv gefüttert werden. Huhn muss raus aus der Billigecke, die Produkte wertgeschätzt werden und dafür brauchen wir einen neuen Umgang – nicht zuletzt auch in der Küche.

 

Wie kann angesichts der klimatischen und gesellschaftlichen Herausforderungen generell ein bewusster Fleischkonsum für alle gelingen? Was muss bis dahin noch passieren?

 Ich glaube, wir müssen aufhören, uns selbst zu verschaukeln. Fleisch ist auch in hochpreisig als Lifestyleprodukt falsch platziert und wir sind gewohnt, in der Küche mit tierischen Produkten um uns zu schmeißen, auch wenn wir es im Gericht oft genug gar nicht merken. Mäßigung und ein echtes Auseinandersetzen mit dem, was man durch seinen Fleischkonsum bewirkt und verantwortet, sind meine Punkte. Für mich läuft es immer wieder auf das Nähe-Thema hinaus: wir sind als Gesellschaft von so vielem entkoppelt und wollen uns nicht mit dem auseinandersetzen was wir verantworten. Auch beim Ressourcenthema sind wir alle in ein großes Privileg hineingeboren worden und müssen noch viel mehr von dem zurückgeben was wir als selbstverständlich sehen.

 

Kannst du während deiner aktiven Vermittlungsarbeit in den letzten Jahren schon gesellschaftliche Veränderungen diesbezüglich feststellen?

Ich glaube zu merken, dass etwas passiert. Narrative verändern sich und die Landwirtschaft merkt, dass sie sich nicht mehr alles einfach zurechtbiegen kann; besonders auch die Bio-Verbände. „Bio ist beste“ ist vorbei und das ist gut so. Diese Bewegung führt dazu, dass auch von der Konsumentenseite mehr Aufmerksamkeit auf Themen fällt und Veränderungen dadurch schneller und mächtiger Fahrt aufnehmen.

 

Was macht den Austausch aus deiner Sicht so wichtig was bewog dich der Gemeinschaft beizutreten?

Ich glaube, dass wir in der Gemeinschaft wirklich etwas bewegen können. Viele der Mitglieder sind Vorbilder für andere, oder wollen ihren Vorbildern nah sein. Wenn wir schaffen, die Gemeinschaft als Ort der Arbeit miteinander zu gestalten, als Raum des Austausches, was bspw. bei Partnerschaften zwischen Höfen und Küchen nötig und auch möglich ist, können alle mit neuen Gedanken und Ansätzen wieder nachhause gehen und vor Ort Dinge verändern.

Fotos:
Caroline Prange und Ingmar Jaschok

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