Kemker Kultuur
Seit 2017 braut Kemker Kultuur historische Biere im Münsterland. Was Jan damals als Experiment startete, wurde zu einer Reinkarnation lokaler Braugeschichte. Ursprüngliche Zutaten, wilde Hefen und lange Reifung im Holzfass machen ihre Biere einzigartig. Wir haben mit Jan und Nicole über die Vielfältigkeit des Brauens, über Gemeinschaft und die Hürden eigenen Anbaus gesprochen.
Hallo Nicole, Hallo Jan, stellt euch doch als neue Mitglieder der Gemeinschaft einmal vor und erzählt wie ihr zur historischen Braukunst kamt.
Jan und Nicole: Wir beide sind in Münster geboren und in der Region verwurzelt. Wir haben uns schon immer für gute Lebensmittel und insbesondere auch Bier begeistern können. Auf unseren Reisen – besonders hier Belgien, England und Skandinavien – haben wir eine lebendige Bierkultur mit zuteilen auch historischen Bierstilen kennengelernt. Da kam die Frage auf, wo ist die lebendige Bierkultur in unserer Heimatstadt? Nonexistent. Nach Monaten der Recherche und Netzwerken kamen wir aber zu der Erkenntnis, hier gab es eine Bierkultur. Und zwar eine vielfältige. Motivation genug, diese wiederzubeleben.
Seit 2017 gibt es Kemker Kultuur, wie war und ist es für euch als junges Unternehmen in der Branche anzufangen?
Jan: Die Brauerei habe ich während meines Studiums der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft gegründet. Immer mit dem klaren Fokus auf Historische Bierstile und mit Bezug zur Landwirtschaft. Möglichst regional, ökologisch und partnerschaftlich.
Den Anfang habe ich auf einer kleinen Fläche in Lienen gemacht. Damals konnten Kapitalgeber*innen diese Idee noch nicht verstehen und so entstand die Gründung durch Bootstrapping. Nicht ganz einfach, denn eine Brauerei ist sehr kapitalintensiv. Das gute Feedback aus Deutschland aber auch aus dem benachbarten Ausland war dann Treiber für eine Vergrößerung. 2018 haben wir dann eine alte Stallung zu einer Brauerei umgebaut. Hier stehen nun ungefähr 100 Holzfässer in denen Bier und Cider reifen. Die Produkte die wir herstellen sind …
Nicole: …gelebte Leidenschaft und manchmal etwas herausfordernd. Es handelt sich hierbei weitestgehend um Bier und Cider. Sie sind diese trocken und trotzdem fruchtig. Je nach Stil findet man Säure, Bittere, Rauch und Kräuter. Manchmal auch eine Kombination der Geschmäcker. Neben Flüssigem findet man in unserem Hofverkauf auch langgereiftes Sauerteigbrot, Senf und andere Köstlichkeiten, die wir mal ausprobieren wollten.
“Historische Biere waren in der Regel immer Reifeprodukte – mit wenigen Ausnahmen.”
Was macht die historische Braukunst aus?
Nicole: Genaugenommen wäre das ein Arbeiten 1:1 wie es früher war. Das wäre historisch korrekt. Holzbottiche, Kupferkessel mit Feuer beheizt, Holzfässer, damalige Getreidesorten, keine Pumpen usw. Das wäre aber ein wenig utopisch. Wir nähern uns an das historische Brauen an ohne uns Drangsalieren zu müssen. Achten dabei auf die für das Produkt relevanten Punkte z.B. alte Rezepturen, historische Getreide- und Hopfensorten, die lange Reifung in Holzfässern und unsere eigene Hefekultur.
Wie habt ihr euch euer vielfältiges Wissen, um Hefestänge, Fermentation, Gärung usw. angeeignet?
Jan: Das war fast ausschließlich im Selbststudium. Auch Besuche bei anderen Brauer*innen und Winzer*innen waren aufschlussreich. Die richtige Erfahrung kam aber durch das eigene Experimentieren. Auch wie verhält sich die Hefe in meiner Umgebung. Sprich, jedes Gebäude, jede Jahreszeit, unterschiedliche Luftfeuchtigkeiten finden sich im Produkt wieder.
Warum sollte man eigentlich auch Bier und Cider reifen lassen?
Nicole: Historische Biere waren in der Regel immer Reifeprodukte – mit wenigen Ausnahmen. Daher spielt für uns eine lange Reifung für die geschmackliche Ausbildung eine wichtige Rolle und ist auch technisch notwendig damit die Gärung vollständig abgeschlossen ist. Erst mit dem Aufkommen von künstlicher Kühl- und Heiztechnik, Reinzuchthefen und Pasteurisation konnte man Bier und Cider schneller und industrieller herstellen. Gleichauf haben die Produkte damit aber auch ihren Charakter verloren.
Das Obst für euer Bier und den Cider stammt unter anderem von eurer eigenen Streuobstwiesen und auch Gerste baut ihr selbst an, plant ihr zukünftig noch mehr Zutaten für das Brauen selbst anzubauen und welches Potenzial seht ihr darin?
Jan: Momentan machen wir vieles in Kooperation mit Bio-Landwirt*innen oder Landwirt*innen die sich im Naturschutz engagieren. So bauen wir z.B. mit dem Frecklinghof in Tecklenburg die historische „Schwarze Pfauengerste“ an. Mit anderen Landwirten pflanzen wir neue Streuobstbestände. Zukünftig wollen wir dies noch stärker intensivieren, vielleicht machen ja auch noch mehr Konsumenten, Produzenten und Landwirte mit. Wenn wir für biologische Erzeugnisse aber auch Naturschutz durch Streuobstwiesen eine regionale Wertschöpfung generieren, gibt es neben konventionellen Veredelungsbetrieben vielleicht eine Chance auf ein wenig mehr Vielfalt. Einige unserer geplanten landwirtschaftlichen Projekte möchten wir eigenverantwortlich angehen und sind daher auf der Suche nach Flächen.
Gibt es Hürden in der Umsetzung?
Jan: Fläche ist in unserer Region ein äusserst knappes Gut mit einhergehenden hohen Pacht- und Kaufpreisen. Aber wir lassen uns nicht entmutigen.
Warum ist es euch wichtig Teil der Gemeinschaft zu sein?
Nicole: Da gibt es vielleicht nicht „den“ Grund. Aber sicher ganz viele gute Gründe. Einen Teil der Mitglieder kennen wir schon. Weil Sie entweder Kund*ineen von uns sind oder wir Kunde von ihnen. Viele von ihnen haben Bedürfnisse und Gesprächsbedarf der nicht immer in den „normalen“ Rahmen passt. Genauso wie wir. Bei unserem ersten Treffen bei der Gemeinschaft konnten wir dies hautnah erleben wie ein neuer Rahmen dafür geschaffen wurde. Und auch wie schnell sich dabei das eigene Netzwerk erweitert. Zu wissen, dass auch andere ähnliche Hürden und Gedanken haben schafft Motivation, Inspiration und bestärkt uns darin die Extrameile zu gehen.